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Einkaufsfreiheit über alles?

syndicom hat beschlossen, sich der neu gegründeten Allianz «Freier Sonntag Schweiz»
anzuschliessen. Diese will einen weiteren Anlauf zur Liberalisierung der Arbeitszeit möglichst schon im Keim ersticken. Es ist höchste Zeit. Mohamed Hamdaoui


Am 3. Mai befürwortete der Nationalrat mit 105 : 73 Stimmen die parlamentarische Initiative des Genfer Freisinnigen und neuen FDP-Vizepräsidenten Christian Lüscher, mit der es den Tankstellenshops erlaubt werden soll, 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche offen zu bleiben. Betroffen wären «nur» Geschäfte an Autobahnen bzw. entlang der grossen Strassenverkehrsachsen. Gemäss geltendem Recht dürfen Tankstellen zwischen ein und fünf Uhr morgens und am Sonntag kein Personal für den Verkauf bestimmter Güter beschäftigen.


Leere Versprechen


Während der Ratsdebatte warfen die Vertreterinnen und Vertreter der Linken und der Gewerkschaften den Wirtschaftskreisen und ihren Vertretungen im Parlament Salamitaktik vor. Bei der eidgenössischen Volksabstimmung über die Revision des Arbeitsgesetzes im Jahr 2004, bei der es um die Sonntagsöffnungszeiten der Geschäfte in den grössten Bahnhöfen im Land und in den Flughäfen ging, hatten nämlich die Verfechterinnen und Verfechter solcher «Fortschritte» noch hoch und heilig versprochen, dass jede weitere Deregulierung der Arbeitszeiten im Einzelhandel ausgeschlossen sei. Hier sind bekanntlich die Angestellten – oft Frauen oder Menschen in prekären Verhältnissen – generell schlecht geschützt. Und nun sehen wir, was diese Versprechen wert waren.


In der Tat häufen sich seither die Versuche, diese Liberalisierung weiterzutreiben. Zwei Beispiele: Der Zürcher Freisinnige Markus Hutter brachte in der grossen Kammer eine Motion durch, gemäss derer die Kantone bezüglich Sonntags- und Nachtarbeit nach eigenem Gutdünken handeln können. Der Walliser CVP-Politiker Yannick Buttet möchte die Bestimmungen für Randregionen lockern und den Dorfläden dort generell den Sonntagsverkauf erlauben …

 

Und am kommenden 17. Juni werden die Stimmberechtigten des Kantons Zürich über eine Initiative der Jungfreisinnigen abstimmen, die die vollständige Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten verlangt. Ihr Titel spricht Bände: «Der Kunde ist König!» Damit bringt er eine Grundsatzfrage dieser Gesellschaft auf den Punkt: Wollen wir eine Gesellschaft, in der die Menschen in erster Linie Kundinnen und Kunden beziehungsweise Konsumierende sind, oder sind sie doch zuallererst Staatsbürgerinnen und -bürger?


«Freier Sonntag Schweiz»


Die Allianz «Freier Sonntag Schweiz» hat sich klar für die zweite Option entschieden. Aus diesem Grund haben sich auch Gewerkschaften – unter anderem syndicom –, linke Parteien, Hilfswerke und Kirchenkreise Ende April entschieden, ihre Kräfte zu vereinen und sich den unaufhörlichen Versuchen zur Aushöhlung des Arbeitsgesetzes entgegenzustemmen, solange es noch Zeit ist. Die Hauptforderungen dieser Allianz sind die folgenden:

  • Die Sonntags- und Feiertagsruhe muss generell gesetzlich geschützt bleiben.
  • Die bestehenden Ausnahmen sind laufend und streng auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen. Für Ausnahmen müssen gesetzliche und gesamtarbeitsvertragliche Regelungen bestehen.
  • Sonn- und Feiertagsarbeit muss die Ausnahme bleiben und einen höheren Preis haben als Normalarbeitszeit. Der Arbeitgeber muss sowohl für regelmässige wie auch für unregelmässige Sonntagsarbeit einen Zuschlag bezahlen.
  • Die Kontrolle und Sicherung der Sonn- und Feiertagsruhe muss gewährleistet, etwaige Verstösse durch die zuständigen Behörden müssen konsequent geahndet werden.
  • Pressekonferenz zu Forderungen

Die Mitglieder der Allianz* wollen in den nächsten Wochen ihre Ziele vertieft diskutieren. Sie werden Anfang dieses Sommers eine grosse nationale Pressekonferenz abhalten, um ihre Forderungen vorzustellen.


Die Organisationen werden auch nicht zögern, gegebenenfalls das Referendum zu ergreifen, um die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen und die soziale und kulturelle Errungenschaft der arbeitsfreien Sonntage zu erhalten. Es gibt wichtigere Dinge als die absolute Einkaufsfreiheit!


* CSP, Evangelische Frauen Schweiz, Evangelisch-methodistische Kirche, EVP, Gewerkschaft Unia, Grüne Partei Schweiz, Schweizerische Bischofskonferenz/Justitia et Pax, Schweizerische Gesellschaft für Arbeitsmedizin, Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Schweizerischer katholischer Frauenbund, Schweizerischer Verein Sonntagsfeier, SP, Syna, syndicom und Travail Suisse


Mohamed Hamdaoui, Kommunikationsverantwortlicher

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