Zuerst muss es Richtung 5-Tage-Woche gehen
syndicom lehnt es ab, dass die PostAuto Schweiz AG das sogenannte Flexibilitätsmodell bald landesweit anbietet. Das Unternehmen konnte die Beweggründe der Gewerkschaft leider bis jetzt nicht nachvollziehen.
Worum geht es eigentlich? Das «ganzheitliche Vergütungssystem», ein strategisches Projekt der PostAuto Schweiz AG, wurde den Sozialpartnern anfangs Juni dieses Jahres vorgestellt. Im Grobkonzept fand sich unter anderem die Massnahme «Einführung eines Flexibilitätsmodells». Das Flexibilitätsmodell besagt im Grunde Folgendes:
• Wenn Mitarbeitende eine Woche mehr Ferien wollen, erhalten sie 2,4% weniger Lohn,
• wenn sie auf eine Woche Ferien verzichten, steigt ihr Lohn um 2,4%.
Ein entsprechender Pilotversuch über vier Jahre in der Region Bern hat gezeigt, dass dieses Modell an sich praxistauglich ist.Aber wo liegt dann das Problem? Die PostAuto Schweiz AG kommunizierte bereits im Juni, das «Flexibilisierungsmodell Bern» werde künftig schweizweit angeboten; dies bevor sie mit den Sozialpartnern die Verhandlung der dazu notwendigen Vereinbarung aufgenommen hatte. Auf den ersten Blick sicher kein Grund, sich einer Ausweitung eines praxistauglichen Modells zu verschliessen, wäre da nicht folgender Sachverhalt: Bereits bei der Vorstellung des «ganzheitlichen Vergütungssystems» hatte syndicom sich ganz klar gegen eine Ausweitung des Flexibilitätsmodells ausgesprochen, weil es aus Sicht der Gewerkschaft nicht opportun ist, kurz vor den anstehenden GAV-Verhandlungen vom heutigen GAV abweichende Regelungen zu vereinbaren. Darüber hinaus vertritt syndicom ganz klar die Auffassung, bezüglich Arbeitszeitgestaltung habe die PostAuto Schweiz AG anderweitigen Handlungsbedarf. Anders ausgedrückt: Fahrerinnen und Fahrer, die im ÖV arbeiten, kennen keine regelmässigen Arbeitszeiten und keine 5-Tage-Woche (Montag bis Freitag arbeiten, Samstag und Sonntag frei), weil der ÖV eben während 24 Stunden und an 365 Tagen im Jahr in Bewegung ist. Deshalb braucht es zuerst grundsätzliche Überlegungen, bevor Flexibilitätsmodelle eingeführt werden.
In der Umfrage zum GAV wollte syndicom unter anderem wissen, wo aus der Sicht der Betroffenen Handlungsbedarf bestehe. Eine der Antworten war: bei der Arbeitszeit. Aber es geht dabei nicht um die wöchentliche Normalarbeitszeit von 41 Stunden pro Woche, nein, es geht um die Arbeitsbelastung. Drei Viertel der Post-Mitarbeitenden sehen sich an oder schon über der Belastungsgrenze, sie fühlen sich gestresst. Bei der PostAuto Schweiz AG erreicht dieser Wert beinahe die 90%-Marke. Wahrlich kein Ruhmesblatt für das Unternehmen, wenn neun von zehn Mitarbeitenden ihre Arbeitsbelastung als dermassen hoch einstufen. (Ein Schwerpunkt dazu in der nächsten Ausgabe dieser Zeitung.)
Also: Es gilt, die Grundsatzüberlegung anzustellen: Wie kann bei der PostAuto Schweiz AG eine betriebliche 5-Tage-Woche realisiert und flächendeckend umgesetzt werden? Dies ist nun angezeigt, nicht weitere Experimente!
Übrigens: syndicom hat sich dafür ausgesprochen, dass das Pilotprojekt in der Region Bern bis zur Beendigung der GAV-Verhandlungen weitergeführt werden kann. Dass das Flexibilitätsmodell aber auf die ganze Schweiz ausgedehnt wird, lehnt die Gewerkschaft wie gesagt ab. Die Gründe sind offenbar nur für die Leitung der PostAuto Schweiz AG schwer nachvollziehbar. Die Direktbetroffenen wissen mit Sicherheit, wo der Schuh drückt: Die GAV-Post-Umfrage ist in dieser Hinsicht an Deutlichkeit nicht zu überbieten.
* Heinz Suter ist Zentralsekretär Sektor Logistik.