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Was die Gegner verschweigen

Die Migros-Tochter Ex Libris gibt sich im Kampf gegen die Buchpreisbindung als hehre Streiterin für die Schweizer Buchkonsumentinnen und -konsumenten. Dabei geht es ihr um Eigeninteressen. 


Seit der Abstimmungskampf begonnen hat, befinden sich die Migros und ihre Tochter Ex Libris auf Tauchstation. Als syndicom den Konzern bat, an einer Podiumsdiskussion zur Buchpreisbindung teilzunehmen, war die lakonische Antwort von Martin Schläpfer, Leiter Direktion Wirtschaftspolitik: «Migros/Ex Libris kann an Ihrer Veranstaltung nicht teilnehmen.» Stattdessen verwies Schläpfer – in Bundesbern als umtriebiger Migros-Lobbyist bestens bekannt – auf das Nein-Komitee.


Aber nicht nur syndicom erhielt eine Absage: Die Migros nahm an keinem der zahlreichen Podien teil. Auch in der «Arena» des Schweizer Fernsehens über die Buchpreisbindung fielen die Migros-Verantwortlichen – trotz Anfrage – nur durch ihre Abwesenheit auf. Das ist befremdlich. Denn ohne die massive Schützenhilfe des Detailhandelsriesen wäre das Referendum gegen die Buchpreisbindung nicht zustande gekommen.


Keine Hemmungen

Dafür nutzt die Migros ihre konzerneigenen Kommunikationskanäle wie das «Migros-Magazin», das eine Million Genossenschaftsmitglieder gratis ins Haus geliefert bekommen. In diesem geschützten Biotop kann sich die Migros als Kartellbekämpferin und Konsumentenschützerin präsentieren, ganz ungestört von Gegenwind und Einsprüchen. Kein Geringerer als Migros-Boss Herbert Bolliger warb dort für die Abschaffung der Buchpreisbindung.


Und fernab von der breiten Öffentlichkeit zeigte Ex Libris bis vor Kurzem auch keine Hemmungen, wenn es darum ging, Konsumentinnen und Konsumenten gleichsam gegen die Buchpreisbindung «einzuseifen». Die Migros-Tochter ist Partnerin von Radio DRS, das mit Radiokiosk.ch einen Onlineshop für CDs, DVDs und Bücher betreibt. Die DRS-Kundinnen und -Kunden erhielten zusammen mit der Rechnung und den Produkten auch noch Abstimmungspropaganda. «Wir haben am 6. Februar erfolgreich bei Radio DRS interveniert, weil das RTVG (Bundesgesetz über Radio und Fernsehen, Anm. der Red.) politische Werbung verbietet», sagt Dani Landolf, Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands (SBVV). Den Kampf in der Öffentlichkeit überlässt die Migros dafür lieber den Nachwuchsleuten von SVP, FDP und Piratenpartei, die von einigen wenigen «Exoten» aus der Buchhandelsbranche flankiert werden.


Seit dem Fall der Buchpreisbindung 2007 überschwemmt Ex Libris den Markt mit Billigbüchern, vor allem via Onlineshop. In den ersten beiden Jahren ist diese Strategie aufgegangen: Obschon sich die Rabattschlachten negativ auf die Bruttogewinne auswirkten, konnten diese Verluste durch Mehrumsätze einigermassen wettgemacht werden. Das widerspiegelt sich in den Nettoumsätzen, die 2007 um 10,8 Prozent und 2008 um 8,5 Prozent gestiegen sind. Ab 2009 wendete sich jedoch das Blatt, als die Umsätze erstmals stagnierten. Seither entwickeln sie sich rückläufig.


So sank 2011 der Umsatz um satte 12 Prozent auf 164 Millionen Franken, während die Verkaufspreise um bis zu 17 Prozent eingebrochen sind. Den letzten Umsatz in dieser Höhe, nämlich 165 Millionen Franken, erwirtschaftete die Migros-Tochter im Jahr 2004, also drei Jahre vor dem Fall der Preisbindung. Der Rückgang sei auf die Weitergabe der Währungsvorteile und den damit verbundenen Preiszerfall zurückzuführen, lässt sich Ex-Libris-Geschäftsführer Daniel Röthlin in der entsprechenden Pressemitteilung zitieren.


Drehen an der Preisschraube
Das ist einer der Gründe. Der andere ist direkt auf die Rabattaktionen zurückzuführen. «Ziel ist es, möglichst viele Konkurrenten zu eliminieren. Wenn dann ein genügend hoher Marktanteil erreicht ist, kann die Preisschraube wieder nach oben gedreht werden», erklärt ein Branchenkenner, der nicht genannt werden will, die Marktmechanismen. Er geht davon aus, dass Ex Libris mittelfristig die Preise so oder so anheben wird, und zwar unabhängig von der Buchpreisbindung. «Denn mit diesen Zahlen verdient die Migros-Tochter kein Geld.»


Sollte sich der Souverän für die Wiedereinführung der Buchpreisbindung entscheiden, dürfte es Ex Libris schwerfallen, ihre neu gewonne Onlinekundschaft zu behalten. Das sind «preissensitive» Schnäppchenjägerinnen und -jäger, die bisher von Preisnachlässen von bis zu 30 Prozent profitieren.


Und Online heisst in erster Linie Amazon. Das sieht auch Migros-Boss Bolliger so, wenn er im «Migros-Magazin» stolz darauf verweist, dass der Buchmarkt zwar nicht zum Kerngeschäft der Migros gehöre, aber Ex Libris die grösste Schweizer Internethändlerin sei. Sie sei damit «sozusagen die Herausforderin» von Amazon. Der US-Riese ist der einzige, der im derzeit tobenden Preiskampf nicht nur mit der Ex Libris mithalten, sondern sie auch immer wieder unterbieten kann. Kommt hinzu, dass Amazon auch ausgefallene Buchtitel schneller ins Haus liefert. Und: Der Onlinehändler muss kein teures Filialnetz am Leben erhalten.


Ohne Buchpreisbindung dürfte Ex Libris den Grossteil der lokalen Konkurrenz – den Buchhandel vor Ort – zunächst aus dem Weg räumen. Anschliessend wird sie im Wettbewerb gegen Amazon das eigene Filialnetz wohl auch schliessen müssen und sich am Onlinegiganten die Zähne ausbeissen.


Daniel Bouhafs, freier Journalist in Zürich

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