«Ein europaweit geführter Kampf»
Die deutsche Gewerkschaft Verdi führte im letzten Jahr mit Andreas Fröhlich als Vertragsverantwortlichem der grafischen Industrie erfolgreich eine Auseinandersetzung um Arbeitszeiten, die uns in den Schweizer Druckereien jetzt bevorsteht.
syndicom: Andreas, kommt dir das Abbauprogramm der Schweizer Druckindustrie bekannt vor?
Andreas Fröhlich: Wir standen im letzten Jahr vor vergleichbaren Forderungen. Auch bei uns sollte die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängert werden. Von 35 auf 40 Stunden. Und auch bei uns versuchten die Arbeitgeber, die Drucker zu spalten. Für die Beschäftigten in den Zeitungsdruckereien sollte es bei 35 Stunden bleiben. Uns war zunächst schon etwas mulmig zumute. Aber dann hat sich kein einziger Zeitungsbetrieb kaufen lassen. Deshalb haben wir die 35-Stunden-Woche in der Branche halten können.
Ist Verdi in diesen Grossbetrieben so stark?
Das schon. Rund die Hälfte der Beschäftigten in der Produktion in diesen Betrieben ist bei uns organisiert. Aber insgesamt haben wir auch viele Mitglieder verloren, denn in den letzten zehn Jahren wurden im Druckbereich 60 000 Stellen abgebaut. Heute gibt es noch 154 000 Beschäftigte. Viele von ihnen arbeiten in Betrieben, die nicht an den Gesamtarbeitsvertrag gebunden sind. Auch unter ihnen haben wir Mitglieder verloren, weil die Leute den Eindruck gewinnen, wir könnten nichts für sie tun.
Sind längere Arbeitszeiten auch in anderen Branchen Deutschlands ein Thema?
Ja. Und das macht es uns sicher nicht leichter. Den Arbeitgebern in der grafischen Industrie kommt entgegen, dass andere Gewerkschaften in Deutschland eine zumindest schleichende Verlängerung der Arbeitszeiten wieder zulassen. In der Chemie wird wieder 38 bis 40 Stunden gearbeitet, und auch in der Metall- und Elektrobranche wächst der Anteil der Belegschaften, die die 35-Stunden-Woche aufgeben mussten.
Da haben die Drucker in der Schweiz andere Sorgen. Hier geht es um die Verteidigung der 40-Stunden-Woche.
Aber auch das wäre ein Dammbruch. Und der Kampf um die Arbeitszeit wird europaweit geführt. Verschlechterungen in einem Land haben Folgen auch in anderen Ländern und schwächen die Gewerkschaften. Wir müssen deshalb zusammen dafür sorgen, dass es nicht zu weiteren Rückschlägen kommt. Wenn hier gestreikt werden sollte, werden wir aufpassen, dass es nicht in Süddeutschland zum Streikbruch kommt
Interview: Michael Stötzel