Abgesehen davon, dass diese Interpretation des Gesetzestextes bereits von verschiedenen Juristen bestritten wird, entspricht sie in keiner Weise dem parlamentarischen Willen. Das Parlament hatte sich im Gegenteil 2010 erfolgreich gegen einen Vorstoss, den Onlinehandel vom Gesetz auszunehmen, gewehrt. Wäre der grenzüberschreitende Onlinehandel nicht vom Gesetz erfasst, käme das einer krassen Ungleichbehandlung der Händler gleich. Alle schweizerischen Händler hätten sich an die gebundenen Preise zu halten, während Amazon, Fnac etc. den Preiskrieg weiter führen könnten. Das würde das Gesetz ad absurdum führen, das die vielfältige Buchhandelslandschaft in der Schweiz erhalten will, um den Leserinnen und Lesern den bestmöglichen Zugang zu den Büchern zu gewährleisten.
Die absurde Auslegung des Gesetzes durch den Bundesrat hat sogar die Gegner der Buchpreisbindung überrascht: In ihrem Argumentarium kommt dieser Punkt nicht vor. Nun wird aber mit Freude im Nebel gestochert. Im «Tages-Anzeiger» hat sich die Hauptgegnerin der Buchpreisbindung gemeldet: Es gäbe noch weitere Unklarheiten im Gesetz, lässt sich Martin Schläpfer, Leiter Wirtschaftspolitik bei der Migros, vernehmen. Bringen wir etwas Licht in diesen Nebel: Nur weil die Migros-Tochter Ex Libris 70 Prozent der Unterschriften für das Referendum gesammelt hat, stimmen wir über das Gesetz ab. Ex Libris bekämpft das Gesetz, weil sie mit den Büchern nur schwarze Zahlen schreiben kann, wenn sie sie online und mit massiven Rabatten verkaufen kann. Die 113 Ex-Libris-Filialen schreiben trotz aufgehobener Preisbindung rote Zahlen.
Es bleibt dabei: Dem Buchpreisbindungsgesetz unterstehen auch die privaten Onlinebuchkäufe im Ausland. Denn wie der Berner Staatsrechtsprofessor Andreas Lienhard sagt: «Selbst wenn Unschärfen in der Interpretation bestünden, ist der klar manifestierte Wille des Parlaments letztlich massgebend.»
Danièle Lenzin, Co-Präsidentin und Leiterin Branche Buch und Medienhandel