In St. Gallen ist der Fall Swissprinters definitiv zum Trauerspiel verkommen. Die Entlassenen werden vom Konzern mit einem Almosen abgespeist.
Und die sankt-gallischen Behörden schauten bei der Schliessung tatenlos zu
und beschränkten sich auf die Verwaltung der Arbeitslosigkeit.
Das mehrheitlich dem Ringier-Konzern gehörende Unternehmen Swissprinters gab letzten November die Schliessung des Standorts St. Gallen (früher Zollikofer AG) bekannt. 173 Arbeitsplätze waren betroffen. Der Vorschlag aus dem Kreis der Arbeitnehmenden und der Gewerkschaft, einen reduzierten Betrieb mit neu fokussiertem Geschäftsfeld fortzuführen, wurde von der Leitung rundweg abgelehnt. Es kam darauf zu einem kurzen Proteststreik. CEO Alfred Wälti reagierte noch während der Aktion mit dem Angebot, man könne über eine «Wertschätzungsprämie» reden.
Von den nachfolgenden Verhandlungen wurde syndicom jedoch ausgeschlossen. Die Swissprinters-Chefs wussten wohl warum. Auf diese Weise gelang es ihnen nämlich, äusserst billig davonzukommen. Während die Angestelltenvertreter zunächst eine Prämie von 1000 Franken pro geleistetem Dienstjahr verlangten, offerierte die Geschäftsleitung minimale 150 Franken. Statt weiter zu verhandeln und so noch etwas herauszuholen, stimmten die eingeschüchterten, um ihre Familien besorgten Personalvertreter dem Angebot zu. Mit syndicom als Verhandlungspartnerin wäre das sicher nicht passiert. So werden die Entlassenen nun mit einem Beitrag abgespeist, der für langjährige Betriebsangehörige nicht einmal einen Monatslohn ausmacht und der darum kaum mehr als ein Almosen darstellt. Kurzum: Die Leute wurden über den Tisch gezogen.
Auch die Behörden sind schuld
Kaum sonstwo wäre Swissprinters mit einer Betriebsschliessung so günstig davongekommen wie in der Ostschweiz. Daran sind auch die Behörden schuld. Die St. Galler Kantonsregierung stellte sich in der Antwort auf eine SP-Interpellation auf den Standpunkt, die Schliessung sei ein unternehmerischer Entscheid gewesen, den man nicht beeinflussen könne. Der Kanton müsse eine «neutrale Instanz» sein und dürfe nur die Folgen der Entlassung abdämpfen. Damit ist syndicom-Sekretär Dominik Dietrich überhaupt nicht einverstanden. Er verweist auf das Beispiel Nyon, wo Betroffene, Gewerkschaften und Kanton gemeinsam um die Arbeitsplätze einer bedrohten Novartis-Fabrik kämpften und schliesslich mit Konzessionen die Erhaltung der Arbeitsplätze erreichten. «Mit einer aktiven Haltung der Behörden wäre auch bei uns viel mehr dringelegen», ist er überzeugt.
Im Besonderen ärgert sich Dietrich über Volkswirtschaftschef Benedikt Würth (CVP). Als die Betroffenen zusammen mit ihrem Anwalt Paul Rechsteiner eine Unterredung mit Würth verlangten, habe er zuerst gar keine Zeit gehabt. Dann sei zwar ein Treffen zustande gekommen, aber es sei klar geworden, dass sich der Kanton nicht wirklich engagieren wolle. «Wir konnten ihm nicht einmal ein Bekenntnis zur Erhaltung der Arbeitsplätze abtrotzen», sagt Dietrich. Auch von Thomas Scheitlin (FDP), immerhin Präsident der Standortgemeinde, waren keine Aktivitäten zugunsten der Arbeitsplätze sichtbar. Dies, obwohl die Schliessung des Traditionsbetriebs Zollikofer AG monatelang für Aufsehen sorgte. Zusammen mit dem Abgang des Versandhauses Quelle 2009 verlor die Stadt in den letzten drei Jahren rund 300 Arbeitsplätze. Mit Blick auf den Fall Wegelin meint Dietrich sarkastisch: «Es muss schon eine Bank zugrunde gehen, damit sich die Regierung aktiv zu Wort meldet.»
Verantwortungslos
Im Nachhinein verbreitet der Kanton Positivmeldungen: Für 87 der 173 Entlassenen habe man eine «Anschlusslösung» gefunden, davon seien 21 Frühpensionierungen. 41 hätten eine neue Stelle gefunden. Gegenüber der Kritik der Gewerkschaft verteidigte sich Regierungsrat Würth mit dem Argument, das Standortförderungsgesetz lasse keine Zuschüsse an gefährdete Betriebe zu. Doch ist dies für Paul Rechsteiner kein Grund, die Hände in den Schoss zu legen. Er nennt die Passivität der Regierung verantwortungslos und kritisiert, dass massgebende Kreise des lokalen Wirtschaftsfreisinns schweigend zugeschaut hätten, wie der Traditionsbetrieb erst nach Zürich verschachert und dann eingestellt worden sei. Dominik Dietrich weist seinerseits auf die bevorstehenden Wahlen vom 11. März hin und meint: «Gut, können wir unsere Kantonsregierung neu wählen.»
Ralph Hug, Journalist und Autor, Mitglied des Pressebüros St. Gallen