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2. DV: Endlich alle unter dem gleichen Dach

Am 16. Juni fand im Stade de Suisse in Bern die zweite syndicom-Delegiertenversammlung statt. Durch die Fusion der Sektionen Genève Poste und Valais Romand Poste mit syndicom ist der Fusionsprozess nun auch juristisch abgeschlossen, was Co-Präsident Alain Carrupt zur Feststellung veranlasste: «Jetzt sind wir endlich alle unter dem gleichen Dach.» Co-Präsidentin Danièle Lenzin führte souverän durch die Versammlung. 

 

«Wir haben ein anspruchsvolles Programm mit einer dichten Traktandenliste vor uns», sagte die Co-Präsidentin Danièle Lenzin zu Beginn dieser zweiten syndicom-Delegiertenversammlung (DV) und bedankte sich bei den Delegierten für ihre Anwesenheit an einem so schönen Tag. Co-Präsident Alain Carrupt führte in seiner Eröffnungsrede aus: «‹Alle unter einem Dach›: Dieser Slogan aus dem Sektor Post trifft auch für unsere Fusion zu, aus der syndicom hervorgegangen ist. Heute soll sie juristisch abgeschlossen werden.» Er verwies auf verschiedene Erfolge unserer Gewerkschaft in allen Sektoren und Interessengruppen, «auch wenn noch nicht alles perfekt ist».

 

Die zwei letzten Puzzleteile

Die Treuhandgesellschaft hatte wegen der komplexen Struktur von syndicom alle Hände voll zu tun mit der Jahresrechnung. Nach ausführlichen Erklärungen wurden die Rechnung sowie der Bericht der Revisionsstelle genehmigt. Die Fusion von syndicom mit den beiden letzten Sektionen, Genève Poste und Valais Romand Poste, «den beiden letzten Puzzleteilen von syndicom», wie Alain Carrupt es ausdrückte, wurde ohne Gegenstimme genehmigt. Leidenschaftliche Diskussionen gab es dagegen bei zwei Themen. Zuerst ging es darum, ob sich das Co-Präsidium im Zentralvorstand der Stimme enthalten solle. Gegen den Widerstand von 45 Personen wurde aber Nichteintreten beschlossen. Dann ging es um das weitere Vorgehen bei der Initiative «Für eine starke Post». Eingehend wurden Vor- und Nachteile eines Rückzugs gegeneinander abgewogen. Fritz Gurtner, verantwortlich für den Sektor Logistik, zeigte sich begeistert von der hochstehenden Diskussion. Am Schluss einigte man sich darauf, dass ein Rückzug auf keinen Fall vor der Ratifizierung der Postverordnung und der Schlussabstimmung in den Kammern erfolgen dürfe. Das Initiativkomitee habe anschliessend noch Zeit, um über einen allfälligen Rückzug zu entscheiden. Eine Mehrheit der Delegierten erklärte sich einverstanden mit den Argumenten in einem Dokument der Branchen-DV Post von Anfang Juni und erteilte mit sehr klarer Mehrheit dem syndicom-Zentralvorstand die Kompetenz, die Initiative zur Abstimmung zu bringen oder zurückzuziehen.

 

Lustvoll, aber nicht nur …

Überraschend, jung, witzig – «ganz anders» eben will die Gewerkschaft auftreten mit ihrem Jugendwerbeprojekt, führte Bernadette Häfliger Berger, Leiterin Gleichstellung und Recht sowie des Jugendprojekts, aus. Lustvolle Aktivitäten gehören ebenso dazu wie klare inhaltliche Positionierungen, die für junge Menschen attraktiv sind. Angesprochen werden junge Berufsleute und Auszubildende, für deren Bedürfnisse Lösungen gefunden werden sollen.

 

Wie diese Bedürfnisse aussehen, legten an der Delegiertenversammlung mehrere junge Rednerinnen und Redner dar, indem sie eindrücklich ihre Situation beschrieben. Die Forderung nach Wertschätzung ist hier ganz zentral; auch das Recht auf Bildung und die Sorge wegen der vermehrt prekären beruflichen Lage. Vielen erscheint die Zukunft alles andere als sicher. Mit Dauerpraktika, Temporärjobs und anderem mehr werde das Risiko immer mehr auf die Arbeitnehmenden abgeschoben, hiess es. Und: «Wir wollen auch unsere Freizeit planen und leben können!» Das Positionspapier «Damit die Zukunft kein Zufall ist» (wir berichteten) unterstützte die DV denn auch mit wenigen Enthaltungen.

 

Dank zu sagen gab es auch nicht wenig an dieser Delegiertenversammlung: Gerda Kern hielt seitens der Frauenkommission eine Dankesrede zur Teilnahme der Ringier Print Adligenswil AG am Lohngleichheitsdialog, Co-Präsident Alain Carrupt konnte Samuel Siegrist im Namen der Delegierten, des Zentralvorstands und der Geschäftsleitung seinen Dank aussprechen: Der Präsident der Geschäftsprüfungskommission trat zurück, da er im Frühling Präsident der Sektion Bern Postpersonal geworden war. Samuel Siegrist seinerseits dankte allen Organen für die gute Zusammenarbeit.

 

Die Resolutionen

Zwei Resolutionen fanden die Zustimmung der Delegierten. Die IG Pensionierte fordert, dass dem SGB-Modell AHVplus und der Mindestlohn-Initiative mit aller Kraft zur Durchsetzung verholfen werde und ruft zugleich die Leitung von syndicom dazu auf, eine breit abgestützte nationale Kundgebung zu organisieren, an welcher klar gemacht wird, dass die Gewerkschaft «alle Massnahmen ergreifen wird, um die Angriffe auf die Sozialwerke und die Gesamtarbeitsverträge zu stoppen».

 

Gutgeheissen wurde ebenfalls eine Resolution der IG Migration, die von der Zukunftswerkstatt vom 1. und 2. Juni verabschiedet worden war (wir berichteten): «Wir (…) verurteilen die absehbare Entwicklung, die die Mängel unserer Mitmenschen mit Migrationshintergrund in den Vordergrund stellt, anstatt die bedeutenden Errungenschaften für das Wohlergehen aller in diesem Lande Wohnhaften zu würdigen», wird in der Resolution festgehalten. Und: «Wir erwarten von den Gremien und dem politischen Personal unserer Gewerkschaft, dass sie sich konkret dafür einsetzen, dass jegliche Verschärfungen gestoppt werden und das negative Zerrbild der AusländerInnen nachhaltig korrigiert wird.»

 

Anträge – nicht ohne Überraschungen

Auf der Traktandenliste der DV stand auch eine grosse Anzahl Anträge. Angenommen wurde die Forderung der Sozialkommission, dass die Arbeitgeber im syndicom-Organisationsbereich mithilfe der Gesamtarbeitsverträge in die Pflicht genommen werden sollen, Menschen mit einer Teilleistungsfähigkeit in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

 

Ebenfalls unterstützt wurde der Antrag zu AHVplus: «Am Kongress vom 5. und 6. November 2010 lancierte der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB einen neuen, zukunftsweisenden Weg in der Rentenpolitik: das Modell AHVplus. Die Sozialkommission stellt fest, dass die Konkretisierung dieses Modells nicht vorangetrieben wird, und fordert deshalb den SGB auf, endlich vorwärts zu machen.» Und die Frauenkommission doppelte mit der Forderung nach, dass innerhalb von syndicom ein Diskussionsprozess zur Altersvorsorge allgemein, insbesondere aber zu AHVplus respektive zu Stärkung und Ausbau der AHV lanciert und auch in den SGB-Gremien durchgesetzt werden solle.

 

Weiter wurde ein Antrag der Pensionierten an den Vorstand der IG Pensionierte überwiesen, er solle energisch bei den Führungsgremien intervenieren, um ihren Anliegen Nachachtung zu verschaffen.

 

Viel zu diskutieren gab ein Antrag der Sektion Region Basel und der Sektion GIV Basel zur Frage, wie sich der Aufwand für die gesellschaftspolitische Kampagnenführung zum Aufwand für die Mitgliederbetreuung verhalte. Die Quintessenz der Voten hierzu: Beides ist wichtig für eine erfolgreiche Gewerkschaft. Der Antrag wurde – der Empfehlung von Geschäftsleitung und Zentralvorstand folgend – zu Handen des Jahresberichts 2012 angenommen.

 

Kein Gehör hatten die Delegierten für den Rückkommensantrag der Geschäftsleitung, die darauf verzichten wollte, eine Stelle einer/s «Beauftragten für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Ergonomie und Umweltschutz» zu schaffen, wie es die DV vom 26. November 2011 beschlossen hatte. Der Ersatzvorschlag der Geschäftsleitung wurde somit nicht angenommen.

 

Beschlüsse

  • Die Jahresrechnung 2011 der Zentralkasse wurde bei 4 Gegenstimmen genehmigt, dazu in einer Konsultativabstimmung die Rechnung des Hilfs- und Solidaritätsfonds sowie des Kampf- und Aktionsfonds praktisch einstimmig.
    Gleich verhielt es sich mit den Revisionsberichten 2011; sie wurden mit einer Enthaltung genehmigt.
  • Die Fusion der beiden letzten Sektionen mit syndicom wurde einstimmig genehmigt.
  • Nichteintreten zur Reform des Vorsitzes im Zentralvorstand: 60 Ja gegen 45 Nein bei 4 Enthaltungen. Rückweisung eines späteren Rückkommensantrags mit 65 Nein-Stimmen.
  • Zustimmung zu einem Dokument der DV der Branche Post: 64 Ja, 27 Nein, 14 Enthaltungen. Übertragung der Entscheidkompetenz über Weiterzug oder Rückzug der Initiative an den ZV: Ja: klares Mehr; 4 Nein, 4 Enthaltungen.

Wahlen

Die DV wählte Norma Righetto als Finanz- und Administrationsverantwortliche (ab 1. September) in die Geschäftsleitung. Catherine Liengme (Sektor 2, Biel) wird Nachfolgerin von Dolma Sewo als Vertreterin der IG Frauen im Zentralvorstand (ZV). Michael Moser wurde als Vertreter der IG Jugend in den ZV gewählt. Er löst Samuel Rüegger ab, der für die Branche Grafische Industrie und Verpackungsdruck (GIV) Einsitz in den ZV nimmt und damit Massimiliano Tedoldi ersetzt, der zurückgetreten ist. Alle Wahlen erfolgten einstimmig.

 

Gabriele Brodrecht und Yves Sancey

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